Ein Interview auszuwerten bedeutet so viel mehr, als nur Antworten zusammenzufassen. Es geht darum, die verborgenen Muster und tiefen Einblicke aufzudecken, die in jedem Gespräch schlummern. Genau dieser Prozess macht aus rohen Gesprächsdaten eine solide, aussagekräftige Analyse, egal ob für eine wissenschaftliche Arbeit, eine Marktforschungsstudie oder ein UX-Projekt.
Ein Gespräch ist erst einmal ein Wust aus unstrukturierten Informationen – von persönlichen Anekdoten über feste Meinungen bis hin zu nonverbalen Signalen. Eine systematische Auswertung bringt Ordnung in dieses Chaos. Sie macht die Informationen greifbar, vergleichbar und am Ende auch interpretierbar.
Ohne einen klaren Prozess läuft man schnell Gefahr, sich in Details zu verlieren oder die entscheidenden Zusammenhänge komplett zu übersehen. Der eigentliche Schatz liegt aber nicht im Offensichtlichen, sondern darin, die tieferen Bedeutungen hinter den Worten zu verstehen.
Dieser Leitfaden ist Ihre praktische Anleitung, um das Maximum aus jedem Interview herauszuholen. Wir gehen gemeinsam die entscheidenden Schritte durch:
Grundsätzlich gibt es zwei Hauptwege, um ein Interview auszuwerten. Die qualitative Analyse taucht tief in das Warum und Wie ein. Sie ist perfekt, wenn Sie komplexe Themen, persönliche Erfahrungen oder die Motivationen von Menschen wirklich verstehen wollen. Hier arbeiten Sie direkt mit dem Text, suchen nach wiederkehrenden Themen und interpretieren die Bedeutung hinter den Aussagen.
Die quantitative Analyse hingegen verwandelt Antworten in Zahlen. Damit können Sie Häufigkeiten messen, Trends aufdecken und statistische Vergleiche anstellen. Dieser Ansatz ist besonders in der Marktforschung verbreitet. So überrascht es nicht, dass in Deutschland im Jahr 2022 bei quantitativen Studien Online-Interviews mit einem Anteil von 64 % die beliebteste Befragungsform waren. Mehr zu aktuellen Trends in der deutschen Marktforschung finden Sie auf statista.com.
Mein Tipp: Die Wahl der Methode hängt immer von Ihrer Forschungsfrage ab. Fragen Sie sich ehrlich: Will ich die Vielfalt der Meinungen verstehen (qualitativ) oder herausfinden, wie viele Personen eine bestimmte Meinung teilen (quantitativ)?
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede der beiden Ansätze noch einmal kompakt zusammen.
Ein Überblick über qualitative und quantitative Ansätze zur Interviewauswertung, deren Ziele, typische Anwendungsfälle und Hauptvorteile.
Kriterium | Qualitative Auswertung | Quantitative Auswertung |
---|---|---|
Ziel | Tiefes Verständnis, Erkundung von Motiven und Kontexten | Messung von Häufigkeiten, statistische Analyse, Generalisierung |
Fokus | Das „Warum“ und „Wie“ | Das „Wie viel“ und „Wie oft“ |
Datenform | Text, Audio, Video (unstrukturiert) | Zahlen, Skalenwerte (strukturiert) |
Anwendungsfall | Experteninterviews, explorative Studien, Fallstudien | Umfragen mit geschlossenen Fragen, A/B-Tests, Marktanalyse |
Vorteil | Detailtiefe, Flexibilität, Entdeckung neuer Aspekte | Objektivität, Vergleichbarkeit, statistische Signifikanz |
Jede Methode hat also ihre eigene Stärke. Oft ist sogar eine Kombination aus beiden Ansätzen, die sogenannte Mixed-Methods-Forschung, der beste Weg, um ein Thema umfassend zu beleuchten.
Wenn Sie Ihre Methodenkenntnisse vertiefen möchten, sind wissenschaftliche Datenbanken eine Goldgrube. Portale wie das SSOAR (Social Science Open Access Repository) bieten freien Zugang zu unzähligen Fachartikeln, auch zur Methodik der Interviewauswertung.
Solche Plattformen sind extrem wertvoll. Sie ermöglichen den Zugriff auf geprüfte Forschung und helfen Ihnen dabei, Ihre eigene Auswertung auf ein solides wissenschaftliches Fundament zu stellen – ein absolutes Muss für jede Abschlussarbeit.
Jede solide Auswertung eines Interviews beginnt lange vor der eigentlichen Analyse. Der erste und wohl wichtigste Schritt ist die Transkription. Ein sauberes, genaues Transkript ist das Fundament, auf dem Ihre gesamte wissenschaftliche Arbeit aufbaut. Wenn Sie hier schludern, steht Ihre gesamte Interpretation später auf wackligen Beinen.
Stellen Sie es sich wie den Bau eines Hauses vor. Das Transkript ist das Betonfundament. Wenn es Risse hat, uneben ist oder aus schlechtem Material besteht, hilft auch die schönste Fassade nichts – das Gebäude wird instabil. Genauso ist es mit undeutlichen Aufnahmen, falsch zugeordneten Sprechern oder ungenauen Zeitstempeln. Sie machen die spätere Kodierung und Interpretation zur Qual oder im schlimmsten Fall sogar unmöglich.
Bevor Sie auch nur eine Sekunde an das Abtippen denken, muss die Audioaufnahme perfekt sein. Sorgen Sie für eine ruhige Umgebung, in der nichts stört – kein Strassenlärm, keine brummende Klimaanlage und keine hallenden Räume. Mein Tipp aus Erfahrung: Nutzen Sie externe Mikrofone. Die eingebauten Mikrofone in Laptops oder Handys sind meistens nicht gut genug und führen schnell zu blechernem Sound.
Machen Sie vor jedem Interview eine kurze Testaufnahme von ein, zwei Minuten. Hören Sie sie sich ganz kritisch an. Ist jede Person klar und deutlich zu verstehen? Gibt es ein nerviges Echo? Eine kleine Anpassung vor dem Start kann Ihnen später viele Stunden mühsamer Nacharbeit ersparen.
Transkript ist nicht gleich Transkript. Je nachdem, was Sie herausfinden wollen, brauchen Sie einen unterschiedlichen Detailgrad. Im deutschsprachigen Raum haben sich vor allem die Transkriptionsregeln nach Dresing & Pehl durchgesetzt, die eine gute Orientierung bieten.
Ein wichtiger Hinweis aus der Praxis: Entscheiden Sie sich vor dem Start für ein Transkriptionssystem und bleiben Sie dann konsequent dabei. Ein Systemwechsel mittendrin sorgt für Chaos und macht Ihre Daten kaum noch vergleichbar. Diese methodische Sauberkeit ist übrigens ein zentraler Punkt, den Sie im Methodik-Kapitel Ihrer Arbeit erklären müssen. Mehr dazu finden Sie auch in unserem Leitfaden zum korrekten Aufbau einer Hausarbeit.
Wenn die Regeln stehen, kommt die grosse Frage: Wie setzen Sie es um? Im Grunde haben Sie drei Möglichkeiten, jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen.
Option 1: Die manuelle Transkription Der Klassiker: Sie hören sich die Aufnahme an und tippen alles selbst ab. Das ist zwar die zeitaufwändigste, aber auch intensivste Methode. Sie arbeiten sich tief ins Material ein und entwickeln schon beim Tippen ein erstes Gefühl für wichtige Themen und Muster.
Option 2: KI-gestützte Transkriptionstools Programme wie f4x, Trint oder auch die integrierten Funktionen in Auswertungssoftware wie MAXQDA können Ihnen eine Menge Arbeit abnehmen. Sie erstellen automatisch ein Rohtranskript. Die Qualität hängt aber stark von der Aufnahme und eventuellen Dialekten ab. Eine manuelle Nachkorrektur ist immer nötig, aber Sie können trotzdem bis zu 70 % Zeit sparen.
Option 3: Professionelle Transkriptionsdienste Hier geben Sie die Arbeit komplett ab und beauftragen eine Agentur oder einen Freelancer. Das ist die schnellste und bequemste, aber natürlich auch die teuerste Lösung.
Welcher Weg der richtige für Sie ist, hängt von Ihrem Budget, Ihrer Zeit und dem Projektumfang ab. Für eine einzelne Bachelorarbeit ist die manuelle Transkription oft noch machbar. Bei einem grossen Forschungsprojekt mit Dutzenden Interviews ist eine KI-gestützte oder professionelle Lösung hingegen meist die einzig realistische Option.
Sobald die Transkripte Ihrer Interviews fertig sind, beginnt der vielleicht spannendste Teil Ihrer Arbeit: die Auswertung. Hier kommt die qualitative Inhaltsanalyse ins Spiel. Ich spreche oft von der Methode nach Philipp Mayring, weil sie einen systematischen Weg bietet, um aus reinen Texten tiefere Bedeutungen, wiederkehrende Themen und verborgene Muster herauszufiltern. Es geht also nicht mehr nur darum, was jemand gesagt hat, sondern darum, die Kernaussagen zu bündeln und wirklich zu verstehen.
Viele Anleitungen dazu sind furchtbar theoretisch. Lassen Sie uns das anders, nämlich ganz praktisch angehen. Im Kern der qualitativen Inhaltsanalyse steht die Arbeit mit Kategorien. Stellen Sie sich vor, Sie bauen ein System aus „Schubladen“, in das Sie die relevanten Textstellen einsortieren. Dieses Kategoriensystem wird zum Herzstück Ihrer gesamten Analyse.
Ein gutes Kategoriensystem ist logisch, glasklar definiert und passt wie ein maßgeschneiderter Anzug zu Ihrem Interviewmaterial. In der Praxis gibt es zwei Wege, um zu diesen Kategorien zu kommen – und meistens ist eine Mischung aus beiden der beste Ansatz. Man spricht hier vom deduktiven und vom induktiven Weg.
Der deduktive Weg: Von der Theorie geleitet Hier fangen Sie nicht bei null an. Sie leiten Ihre Hauptkategorien schon vor der eigentlichen Analyse aus der Fachliteratur oder direkt aus Ihrer Forschungsfrage ab.
Der induktive Weg: Vom Material geleitet Dieser Ansatz ist offener und oft spannender. Sie lassen die Kategorien direkt aus dem Material entstehen, ganz ohne vorgefertigte Annahmen. Sie lesen die Interviews und fassen ähnliche Aussagen, die Ihnen immer wieder begegnen, zu neuen Kategorien zusammen.
Wie gesagt, in der Praxis hat sich eine Mischform bewährt. Man startet mit einigen deduktiven Hauptkategorien und verfeinert diese dann mit induktiv gewonnenen Unterkategorien, die direkt aus den einzigartigen Aussagen Ihrer Gesprächspartner entstehen.
Der folgende Prozess zeigt sehr schön, wie Sie von den rohen Interviewdaten schrittweise zu einem strukturierten Kategoriensystem gelangen.
Die Visualisierung macht deutlich: Analyse ist ein Verdichtungsprozess. Aus einer Flut von Einzelinformationen kristallisieren sich nach und nach die übergeordneten Themen heraus.
Egal, für welche Methode Sie sich entscheiden, Ihre Analyse muss für andere nachvollziehbar sein. Das A und O dafür ist ein sauber ausgearbeiteter Kodierleitfaden. Betrachten Sie ihn als die Gebrauchsanweisung für Ihre Analyse. Gerade wenn Sie im Team arbeiten, ist er absolut unverzichtbar.
Ein guter Kodierleitfaden stellt sicher, dass jede Person die Kategorien gleich versteht und anwendet. Er ist Ihr Garant für eine zuverlässige und wissenschaftlich saubere Auswertung.
Für jede einzelne Kategorie sollte Ihr Leitfaden diese vier Punkte enthalten:
Ja, die Erstellung eines solchen Leitfadens kostet Zeit. Aber diese Investition zahlt sich hundertfach aus. Sie zwingt Sie, messerscharf über Ihre Kategorien nachzudenken und macht Ihre gesamte Auswertung eines Interviews transparent und überprüfbar. Und denken Sie daran: Die Dokumentation Ihrer Methode ist genauso wichtig wie die Ergebnisse selbst. Falls Sie unsicher sind, wie Sie Quellen und methodische Entscheidungen korrekt belegen, finden Sie in unserem Ratgeber zum Thema Literaturverzeichnis erstellen praktische Hilfe.
Die qualitative Auswertung von Interviews ist ein anspruchsvoller Prozess, der oft mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Datenerhebung selbst. Als Faustregel aus meiner Erfahrung können Sie für jede Stunde Interviewmaterial mit etwa 10 bis 15 Stunden für Transkription, Kodierung und Interpretation rechnen. Mehr zu den Hintergründen dieses Aufwands finden Sie auch bei den Experten von qualitative-forschung.de.
Um diese enorme Materialfülle zu bewältigen, konzentriert sich die Inhaltsanalyse auf drei grundlegende Techniken:
Diese Techniken sind Ihr Handwerkszeug. Sie helfen Ihnen, systematisch vorzugehen und die Essenz aus Ihren Interviews herauszufiltern, ohne sich in den unzähligen Details zu verlieren. Am Ende dieses Prozesses steht eine Analyse, die nicht nur strukturiert und nachvollziehbar ist, sondern vor allem eines ist: aussagekräftig.
Manchmal wollen wir in Interviews nicht nur Fakten abfragen, sondern ganze Lebensgeschichten oder prägende Ereignisse verstehen. Hier kommen Standardmethoden wie die qualitative Inhaltsanalyse schnell an ihre Grenzen. Narrative Interviews sind ein ganz eigenes Kaliber. Bei ihnen zählt nicht nur, was jemand erzählt, sondern vor allem, wie die Geschichte aufgebaut ist. Die tiefsten Einsichten stecken oft in der Struktur der Erzählung selbst.
Der wohl bekannteste Ansatz für die Auswertung eines Interviews dieser Art stammt vom Soziologen Fritz Schütze. Seine Methode ist darauf ausgelegt, die unbewussten Muster und tiefen Bedeutungen aufzuspüren, die sich hinter einer persönlichen Geschichte verbergen. Es geht darum, biographische Wendepunkte, die Art, wie jemand Erlebtes verarbeitet, und die innere Logik eines Lebenslaufs nachzuvollziehen.
Der erste und vielleicht entscheidendste Schritt ist, im Transkript genau zu unterscheiden, was reine Erzählung und was etwas anderes ist. Denn nicht alles, was gesagt wird, ist Teil der Geschichte.
Diese Trennung ist so wichtig, weil nur die narrativen Teile die ursprüngliche, unverfälschte Erlebnisstruktur zeigen. Die argumentativen Teile verraten Ihnen hingegen, wie die Person heute über das Erlebte denkt. Beides ist wertvoll, aber es muss getrennt voneinander analysiert werden, um Verfälschungen zu vermeiden.
Mein Tipp aus der Praxis: Achten Sie beim Lesen ganz bewusst auf den Wechsel der Zeitform. Erzählungen stehen fast immer im Präteritum oder Perfekt („Dann ging ich…“, „Danach habe ich gemacht…“), während Argumentationen oft im Präsens formuliert sind („Ich finde, das war wichtig, weil…“).
Sobald Sie die reinen Erzählpassagen isoliert haben, zoomen Sie ganz nah an den Text heran. Jetzt geht es an die formale Analyse des Aufbaus, fast so, als wären Sie Literaturwissenschaftler. Sie zerlegen die Geschichte in ihre kleinsten Einheiten, um ihre innere Dynamik zu verstehen.
Achten Sie dabei besonders auf erzählerische Detaillierungen und Kondensierungen. Wo hält der Erzähler inne und schildert eine Szene in allen Einzelheiten? Und wo rafft er im Gegenzug lange Zeiträume mit wenigen Worten zusammen? Diese Betonungen und Auslassungen sind nie zufällig – sie zeigen, was für die Person subjektiv die grösste Bedeutung hat.
Genau dieser Kontrast ist der entscheidende Hinweis. Das detailliert geschilderte Gespräch war für die Sozialarbeiterin ganz offensichtlich der Wendepunkt in ihrem eigenen Verarbeitungsprozess.
Im letzten Schritt fügen Sie die Puzzleteile Ihrer Einzelanalysen wieder zusammen und treten einen Schritt zurück, um das Gesamtbild zu betrachten. Sie rekonstruieren die erlebte Lebensgeschichte, so wie sie sich aus der Struktur der Erzählung ergibt. Hier geht es darum, die übergeordneten Muster zu erkennen.
Stellen Sie sich dabei Fragen wie:
In Deutschland ist die Auswertung narrativer Interviews eine anerkannte Methode in der qualitativen Forschung, um biographische Erfahrungen systematisch zu erschliessen. Der Ansatz baut darauf auf, dass Erzählungen bestimmten erzähltheoretischen Regeln folgen, was die Interpretation nachvollziehbar und alles andere als willkürlich macht. Wer tiefer in die theoretischen Grundlagen der narrativen Analyse einsteigen möchte, findet im Social Science Open Access Repository eine gute Ressource.
Am Ende halten Sie nicht einfach nur eine Inhaltszusammenfassung in den Händen. Sie haben ein tiefes Verständnis für die subjektive Logik und die verborgenen Prozesse gewonnen, die das Leben und Handeln einer Person prägen. Es ist eine anspruchsvolle, aber eine der aufschlussreichsten Formen der Auswertung eines Interviews.
Die beste Analyse ist leider fast wertlos, wenn sie am Ende niemand versteht. Sie haben Stunden in die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung Ihrer Interviews gesteckt – jetzt kommt der entscheidende Teil: Ihre Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie bei Ihrer Zielgruppe auch wirklich ankommen.
Stellen Sie es sich so vor: Sie müssen eine Geschichte erzählen. Eine klare und nachvollziehbare Geschichte, die Ihre Leserschaft – egal ob Professor, Chefin oder Teamkollegen – mit auf eine Reise nimmt. Am Ende sollen sie nicht nur wissen, was Sie herausgefunden haben, sondern auch, warum es relevant ist und wie Sie zu Ihren Schlussfolgerungen gekommen sind. Das ist die eigentliche Kür.
Ein guter Auswertungsbericht ist wie ein gut ausgeschilderter Wanderweg. Er führt den Leser Schritt für Schritt durch Ihre Gedankenwelt, schafft Vertrauen und verhindert, dass jemand den Anschluss verliert. Transparenz ist hier das A und O.
In der Praxis hat sich eine ganz klassische Struktur bewährt, die einfach funktioniert:
Ein Tipp aus der Praxis: Schreiben Sie die Einleitung und das Fazit ganz zum Schluss. Erst wenn Sie Ihre Ergebnisse und die Diskussion komplett zu Papier gebracht haben, wissen Sie wirklich, was die Essenz Ihrer Arbeit ist. Eine gelungene Zusammenfassung, ähnlich wie Sie einen informativen Abstract schreiben, kann über den Gesamteindruck entscheiden.
Niemand liest gerne endlose Textwüsten. Um Ihre Analyse lebendig und verständlich zu machen, sollten Sie auf zwei mächtige Werkzeuge zurückgreifen: Zitate und Visualisierungen. Sie lockern den Text auf und machen komplexe Zusammenhänge auf einen Blick erfassbar.
Besonders gut funktionieren Concept-Maps. Das sind im Grunde Diagramme, die Ihre Haupt- und Unterkategorien als Kästchen oder Kreise darstellen. Mit Pfeilen und Linien zeigen Sie, wie diese Kategorien miteinander in Beziehung stehen. Das gesamte Gerüst Ihrer Analyse wird so sofort sichtbar. Manchmal kann auch eine einfache Matrix Wunder wirken, in der Sie zum Beispiel vergleichen, welche Themen (Spalten) von welchen Interviewpartnern (Zeilen) besonders oft angesprochen wurden.
Mindestens genauso wichtig sind Zitate. Sie sind der Beweis für Ihre Interpretation und geben den anonymen Daten eine menschliche Stimme. Ein gutes Zitat macht eine abstrakte Kategorie plötzlich greifbar und emotional nachvollziehbar.
Achten Sie bei der Auswahl Ihrer Zitate auf drei Dinge:
[...]
kürzen, solange der Sinn erhalten bleibt.Setzen Sie Zitate aber gezielt und sparsam ein. Sie sollen Ihre Argumentation stützen, nicht ersetzen. Erklären Sie nach jedem Zitat kurz, warum es an dieser Stelle steht und was es im Kontext Ihrer Analyse bedeutet.
Wer schon einmal versucht hat, Dutzende von Kodes und Hunderte von Textstellen manuell mit Textmarkern und Notizzetteln zu verwalten, weiß, wie schnell das im Chaos enden kann. Genau hier setzt spezielle Software an, die man als CAQDAS (Computer Assisted Qualitative Data Analysis Software) bezeichnet.
Diese Programme nehmen Ihnen nicht das Denken ab, aber sie sind eine enorme Hilfe bei der Organisation. Sie helfen Ihnen, Transkripte zu importieren, Textstellen einfach per Klick zu kodieren, Ihr Kategoriensystem aufzubauen und später gezielt nach Mustern zu suchen.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen schnellen Überblick über beliebte Software-Lösungen (CAQDAS), die bei der Transkription, Kodierung und Analyse von qualitativen Daten helfen. Jedes Werkzeug hat seine eigenen Stärken.
Werkzeug | Hauptfunktion | Ideal für | Besonderheit |
---|---|---|---|
MAXQDA | Umfassende Analyse qualitativer und quantitativer Daten | Wissenschaftliche Projekte, Mixed-Methods-Ansätze | Sehr benutzerfreundlich, starke Visualisierungstools, gute Team-Funktionen. |
ATLAS.ti | Analyse von Text-, Bild-, Audio- und Videodaten | Komplexe, multimediale Projekte, Grounded Theory | Starke Netzwerk-Funktionen zur Visualisierung von Zusammenhängen. |
NVivo | Analyse großer Mengen unstrukturierter Daten | Marktforschung, große Forschungsprojekte | Gut für die Analyse von Social-Media-Daten und Umfragen geeignet. |
f4analyse | Einfache und intuitive Inhaltsanalyse | Einsteiger, kleinere Projekte, Abschlussarbeiten | Konzentriert sich auf die wesentlichen Funktionen der qualitativen Inhaltsanalyse. |
Welches Tool das richtige für Sie ist, hängt von Ihrem Projekt, Budget und Ihren persönlichen Vorlieben ab. Für eine einfache Hausarbeit reicht oft schon ein gutes Textverarbeitungsprogramm. Bei einer Dissertation oder einem größeren Forschungsprojekt ist die Investition in eine CAQDAS-Lizenz aber fast immer eine kluge Entscheidung, die Ihnen viel Zeit und Nerven spart.
Wer zum ersten Mal Interviews auswertet, steht oft vor denselben Hürden und Fragen. Das ist ganz normal. Im Folgenden habe ich die häufigsten Stolpersteine für Sie zusammengefasst und gebe Ihnen praxisnahe Antworten, die Ihnen bei Ihrer Analyse wirklich weiterhelfen.
Diese Frage höre ich ständig. In der qualitativen Forschung lautet die Antwort aber nie einfach nur: „So viele wie möglich.“ Hier zählt Tiefe, nicht schiere Masse.
In der Praxis reichen oft schon fünf bis 15 gut geführte Interviews aus. Der entscheidende Begriff hier ist die „theoretische Sättigung“. Das ist der Punkt, an dem Sie merken: Neue Gespräche bringen keine grundlegend neuen Einsichten oder Themen mehr hervor. Mein Tipp ist daher: Fangen Sie klein an und prüfen Sie nach jeder Analyse, ob sich schon klare Muster abzeichnen.
Kurz gesagt: Nein, absolut nicht. Natürlich sind spezielle Programme für die qualitative Datenanalyse (CAQDAS) wie MAXQDA oder ATLAS.ti leistungsstarke Helfer, aber sie sind kein Muss. Gerade bei einer überschaubaren Datenmenge, also zum Beispiel bis zu zehn Interviews, leisten auch ganz normale Programme wie Word und Excel hervorragende Dienste.
Ein klares System aus Ordnern, eindeutig benannten Dokumenten und einer simplen Tabelle für Ihre Kategorien reicht am Anfang oft völlig aus. Erst wenn Sie mit riesigen Datenmengen hantieren, im Team arbeiten oder komplexe Visualisierungen brauchen, spielt eine Spezialsoftware ihre Stärken wirklich aus.
Widersprüche in den Aussagen Ihrer Interviewpartner sind kein Problem – im Gegenteil, sie sind pures Gold! Sie sind ein zentraler Teil Ihrer Erkenntnisse. Statt sie unter den Teppich zu kehren, sollten Sie diese Spannungsfelder ganz genau unter die Lupe nehmen.
Stellen Sie sich dabei folgende Fragen:
Solche Differenzen sind oft der Schlüssel zu einem viel tieferen Verständnis Ihres Themas. Sprechen Sie sie in Ihrer Auswertung und Diskussion aktiv an. Das macht Ihre Analyse erst richtig differenziert und lebensnah.
In der qualitativen Forschung jagen wir nicht dem Ideal der absoluten Objektivität hinterher, wie man es vielleicht aus der quantitativen Forschung kennt. Es geht um etwas anderes, viel Wichtigeres: Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Man nennt das auch Intersubjektivität. Ihre Interpretation wird natürlich immer auch durch Ihre eigene Perspektive geprägt sein.
Das Entscheidende ist, dass Sie Ihre methodischen Schritte lückenlos dokumentieren. Ein sauber geführter Kodierleitfaden, in dem Sie jede Kategorie definieren und mit klaren Ankerbeispielen versehen, ist hier Ihr wichtigstes Werkzeug. So wird Ihre Auswertung eines Interviews für andere nachvollziehbar und damit wissenschaftlich belastbar.